Die öffentlich-rechtlichen Medien und die rechtsextreme AfD

Habe eben eine E-Mail an den Zuschauerservice des ZDF geschrieben, weil ich denke, dass nicht nur die – zurzeit Demos in eindrucksvoller Größe organisierende – Bevölkerung eine Verpflichtung hat, dem drohenden Faschismus entgegenzutreten, sondern auch und vor allem die – insbesondere öffentlich-rechtlichen – Medien. Gerade sie sollten wissen, was eine faschistische Machtübernahme für die Pressefreiheit bedeuten würde.

Es folgt der Volltext.

“Guten Morgen,

in Ihrer Sendung „Morgenmagazin“ wurde heute Morgen der beginnende Vorwahlkampf in drei östlichen Bundesländern thematisiert. Dabei wurden Georg Maier (SPD) aus Thüringen und ein AfD-Politiker aus Brandenburg mit der Kamera begleitet, als sei der AfD-Mann ebenso wie Maier ein demokratischer Bewerber um ein Mandat. Und obwohl im gezeigten AfD-Büroflur ein Plakat für sogenannte „Remigration“ (Deportation und/oder – wie wir aus der Geschichte wissen – letztlich Ermordung aller, die den Rechtsextremen nicht passen) warb, durfte er unwidersprochen behaupten, das sei doch gar nicht Programm seiner Partei.

Dies ist nur ein aktuelles Beispiel eines aktuellen, aus mehreren problematischen Komponenten bestehenden Trends in den (nicht nur öffentlich-rechtlichen) Medien:

1. Die AfD wird immer wieder zu verschiedensten Sachthemen befragt, als sei sie eine demokratische Partei, die mit den anderen demokratischen Parteien um die beste politische Lösung für Probleme wetteifert. Dies geschieht sogar in den Bundesländern, in denen die dortigen Verfassungsschutzbehörden die Partei als gesichert rechtsextrem eingestuft haben.

2. Bei AfD-Politiker*innen (und nicht nur bei denen) wird in Interviews nur selten kritisch nachgehakt. Bei einer schwammigen, ablenkenden oder gar nicht erfolgten Antwort wird einfach zur nächsten Frage weitergesprungen. (Nicht-AfD-Beispiel: Frau Hayali fragte Herrn Söder nach dessen Vize Aiwanger, der die großen, aus allen Teilen der Bevölkerung getragenen Anti-AfD-Demos der letzten Tage ohne Beleg als „linksextrem unterwandert“ bezeichnete, Söder ging nicht darauf ein, es ging einfach mit einer anderen Frage weiter.) Dabei gibt es gerade in Ihrem Haus Journalist*innen, die wissen, wie es geht: Legendär, wie Theo Koll den damals neu gewählten AfD-Bundessprecher Chrupalla vorführte. Oder das Interview, das Höcke empört abbrach. Oder die vielen harten, aber fairen (no pun intended) Interviews von Marietta Slomka im heute-journal.

3. Besonders in Textmeldungen besteht die „Nachricht“ allzu oft darin, die wörtliche Rede einer Person aus Politik oder Wirtschaft mit ein paar „sagte er/sie“ garniert oder als indirekte Rede wiederzugeben. Ohne Einordnung und Kontext. Das ist mit Verlaub kein Journalismus, sondern PR.

4. Spätestens seit Amtsantritt der Ampel-Koalition wird das Thema Migration und Asyl für viel zu wichtig und problematisch erklärt. Medien und demokratische Parteien übernehmen damit das Themen-Setting der Rechtsextremen – und oft genug sogar deren vermeintliche Lösungen oder zumindest den (wahrscheinlich) gerade noch verfassungskonformen Teil derselben. Das nützt ausschließlich den Rechtsextremen, denn es ist ihr Thema – wer die Rechtsextremen bekämpfen will, darf es nicht künstlich wichtiger machen, als es ist. Zumal Einwanderung dringend gebraucht wird, und wenn Deutschland sich nicht als weltoffenes, sondern als rassistisches Land präsentiert, kommen keine freiwilligen Arbeitsmigrant*innen. Umso eher sollte man dann Geflüchtete willkommen heißen, die oft Mut und Zähigkeit bei ihrer Flucht bewiesen haben, sehr ehrgeizig sind – aber aufgrund veralteter Gesetze nicht arbeiten dürfen.

5. Auch in Medien wird immer noch allzu oft die „Hufeisentheorie“ bemüht, nach der es eine „gute Mitte“ und „schlechte Ränder“ gebe. Nun ist jedoch selbst die demokratische Linke in diesem Land weitgehend marginalisiert, während die Rechtsextremen einen Umfragerekord nach dem anderen einfahren und bereits erste Landrats- und Bürgermeisterämter erobert haben. Ebenso ist es unverantwortlich, als wie „kriminell“ Klimaaktivist*innen dargestellt werden, während „Ungeimpft“-Judensterne tragende Quer“denker“ und mit „Ampel-Galgen“ demonstrierende Bauern als „besorgte Bürger“ in Ruhe gelassen bis angefeuert werden.

Zu diesem gefährlichen Zeitpunkt der Weltgeschichte, zu dem sich etwa Donald Trump anschickt, erneut Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, müssen wenigstens wir unsere liberale Demokratie verteidigen. Die Medien tragen dabei eine entscheidende Mitverantwortung. Als Beitragszahler für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwarte ich, dass zumindest er dieser Verantwortung gerecht wird.

Schöne Grüße
Sascha Kersken

P.S.: Dies ist ein offener Brief, den ich in meinen Social-Media-Accounts (Facebook, BlueSky und Threads) veröffentlichen werde.”

About Sascha Kersken

Ich habe seit 1983 Computer-Erfahrung und hatte das Glück, mein Hobby nach dem Abitur und einigen Umwegen zum Beruf zu machen. Ich arbeite bei der dimensional GmbH in Köln als Senior Developer, unter anderem mit PHP und Java. Seit 1996 bin ich zusätzlich als freiberuflicher Dozent in den Bereichen Administration, Programmierung und Webentwicklung mit Schwerpunkt LAMP tätig, außerdem als Fachbuchautor und -übersetzer. Eine andere meiner großen Leidenschaften ist die Belletristik; 2016 erschien im Self-Publishing mein erster Roman "Göttersommer", der Teil 1 einer Trilogie ist.
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