(Unbefriedigende) Antwort von »Maischberger«

Auf meine Mail an die Redaktion der ARD-Sendung »Maischberger« (https://sascha-kersken.de/2024/01/23/auch-die-ard-braucht-feedback-zu-ihrem-naziproblem/) habe ich nach über zwei Wochen wider Erwarten doch noch eine Antwort erhalten. Da sie gemäß dem folgenden Absatz nicht an mich persönlich erfolgte, sondern auf alle derartigen Mails eingeht, erlaube ich mir, sie im Folgenden zu zitieren und zu kommentieren.

Bitte erlauben Sie uns, dass wir mit dieser Erwiderung auf Ihr Schreiben versuchen wollen, die wesentlichen Punkte, die in der großen Mehrzahl der Schreiben angesprochen wurden, zusammenhängend zu beantworten.

Dass Leute es nach dem allgemeinen Bekanntwerden der Deportations- (und, wenn wir ehrlich sind, letztlich wieder Vernichtungs-) Pläne der AfD nicht ertragen, den Chef-Deporteur (und, wenn wir ehrlich sind, letztlich wieder -Vernichter) auf dem gemütlichen Talkshow-Sofa zu sehen, erkennen sie immerhin noch an:

Gerade im Hinblick auf die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in der jüngsten Zeit haben uns viele unserer Zuschauerinnen und Zuschauer Unverständnis und auch Bestürzung zur Einladung von Herrn Chrupalla entgegengebracht.

Die nachfolgende Behauptung halte ich dagegen für äußerst unglaubwürdig:

Bitte seien Sie versichert, dass wir die Einladung von Herrn Chrupalla, wie alle Gästeeinladungen, sehr gründlich und in langen Diskussionen in der Redaktion abgewogen haben.

Schon im nächsten Absatz geht das Ganze in hufeisenförmige Äquidistanz über, die glaubwürdiger ist – und völlig verantwortungslos. »Zuschauerinnen und Zuschauer, die auf diesen Demonstrationen […] ihre Sorgen […] zum Ausdruck bringen« und »Zuschauer […], die ihre Fragen an unsere Gesellschaft gerade bei der AfD aufgehoben sehen« – szenetypisch offenbar (fast) nur Männer und/oder mit Verzicht auf (selbst binäre) Gendermarkierung – sind für »Maischberger« offenbar gleichermaßen ernstzunehmende Gruppen, und keine von ihnen scheint für sie eine Gefahr für die liberale, rechtsstaatliche Demokratie darzustellen, ohne die eine Sendung wie die ihre gar nicht stattfinden könnte. Zuletzt wird es praktisch noch als Tugend gepriesen, dass »alle anderen, die sich weder der einen noch der anderen Gruppe zugehörig fühlen, aber sich ein Meinungsbild machen wollen« sich aufgrund der »Neutralität« der Sendung frei für die Freiheit oder für eine Nazidiktatur entscheiden können (was im zweiten Fall vermutlich die letzte freie Entscheidung ihres Lebens wäre).

Als öffentlich-rechtlicher Sender sind wir grundsätzlich zu einer ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet. Immer laden wir unsere Gäste themenbezogen und nach journalistischen Kriterien ein.Auch hier hat die Redaktion „maischberger“ intensiv abgewogen, wie sie die aktuellen Fragen zur AfD journalistisch thematisiert. Dabei hatten wir die Zuschauerinnen und Zuschauer im Blick, die auf diesen Demonstrationen ihre Sorgen bzw. Kritik auch gegenüber der AfD zum Ausdruck bringen. Umgekehrt hatten wir auch die Zuschauer im Blick, die ihre Fragen an unsere Gesellschaft gerade bei der AfD aufgehoben sehen. Und weiter auch alle anderen, die sich weder der einen noch der anderen Gruppe zugehörig fühlen, aber sich ein Meinungsbild machen wollen. In der Sendung vom 23. Januar 2024 haben wir daher die Positionen der AfD kritisch diskutiert und dazu auch einem Vertreter der AfD Raum zur Positionierung geben.

Der anschließend beschriebene und verlinkte Faktencheck widmet sich praktisch ausschließlich den Nebelkerzen von Chrupalla und anderen Nazis – und gibt ihnen teilweise auch noch recht. Bei der Transparentaufschrift »AfDler töten.« stellte sich Frau Maischberger im zitierten Sendungsausschnitt und stellt sich die »Maischberger«-Redaktion auch im Faktencheck absichtlich dumm und tut so, als sei der Satz ausschließlich als Imperativ zu verstehen. Dabei handelt es sich um die nun einmal wahre Feststellung, dass der AfD zuzurechnende Personenkreise Tötungsdelikte begangen haben (der Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke war beispielsweise Veranstaltungsbesucher, Wahlkampfhelfer und Spender der AfD) und – wenn sie je an die Macht kämen – noch begehen würden. Das Ganze wurde anhand der »Nazis töten.«-Aufkleber und -Plakate der Satirepartei »Die PARTEI« auch bereits hinlänglich juristisch durchexerziert (vgl. etwa https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-chemnitz-7l39521-wahlplakate-zulssigkeit-die-partei-satire-haengt-die-gruenen/).

Viele unserer Zuschauerinnen und Zuschauer sprechen uns auch auf Punkte an, die sie inhaltlich kritisieren. So weisen sie darauf hin, dass Herr Chrupalla in der Sendung etwa ein Bild von einer Demonstration in Aachen anspricht, auf dem ein Demonstrationsplakat mit der Aufschrift „AfDler töten“ zu sehen ist. Unter anderem diesen Punkt haben wir direkt am Tag nach der Sendung in unserem Faktencheck beleuchtet. Insgesamt wurden drei Themenpunkte aus dem Gespräch mit Tino Chrupalla und Olaf Sundermeyer in unserem Faktencheck analysiert:

  1. Wie finanziert sich das Recherchezentrum Correctiv?
  2. Wurde auf einer Demo in Aachen ein Transparent mit der Aufschrift “AfDler töten” gezeigt?
  3. Hat die Tagesschau von “Deportationen” gesprochen?

Vielleicht mögen Sie das nachlesen. Hier finden Sie unseren Faktencheck:

https://www.daserste.de/information/talk/maischberger/faktencheck/faktencheck-maischberger-468.html

Zum Schluss werden alle Kritiker*innen noch pauschal mit Einzelnen in einen Topf geworfen, die der Redaktion Unflätigkeiten bis Drohungen geschickt haben. Dabei ist davon auszugehen, dass diese ganz überwiegend aus rechten Kreisen kamen, die fanden, dass ihr Oberbonze dort »unfair« behandelt worden sei. Ein weiterer Grund, warum Talkshows keine Nazis einladen sollten.

Unser ausdrücklicher Dank geht an alle Zuschauerinnen und Zuschauer, die uns und unsere Sendung in dieser Weise kritisch begleiten.

Erlauben Sie uns bitte abschließend, noch ein weiteres Thema anzusprechen.

Tagtäglich lesen wir die Rückmeldungen unseres Publikums und versuchen stets Anregungen und Kritik für die Vorbereitung unserer nächsten Sendungen zu berücksichtigen.

Leider erreichen uns immer wieder und so auch gerade zur Sendung vom 23. Januar 2024 und zur Einladung von Herrn Chrupalla Zuschriften mit unangemessenen Inhalten. Wir haben auch hier lange abgewogen, ob wir dies ansprechen wollen, zumal das Thema dann auf diesem Wege auch unsere kritischen Zuschauerinnen und Zuschauer erreicht, die uns ihre Kritik sachbezogen und konstruktiv übermitteln, auch hier noch einmal danke dafür.

Wir beziehen uns auf Inhalte, die wir leider nicht anders beschreiben können, als mit dem Wort „obszön“, Inhalte die auf einer persönlichen Ebene beleidigend sind und sogar solche, die offen Drohungen aussprechen gegen Personen und von uns – zum Schutze der Personen – juristisch geprüft werden müssen. Wir möchten es uns und vor allem auch Ihnen ersparen, hier Beispiele zu nennen. Solche Inhalte zeigen eine Form von Respektlosigkeit, die uns mit großer Sorge erfüllt. Solche Beiträge sollten, nein dürften, in einer inhaltsbezogenen Auseinandersetzung, in der berechtigt unterschiedliche Positionen thematisiert werden, keinen Platz haben – auch dann nicht, wenn Frust und Ärger Motor für solche Beiträge sind.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis, dass wir auch diesen Aspekt der bei uns eingegangenen Zuschriften hier einmal ansprechen wollen. 

Und zum Schluss das hier. Danke, aber nein danke. Ich weiß, warum ich solche Sendungen nicht einschalte.

Wir freuen uns, wenn Sie uns auch weiterhin kritisch dienstags und mittwochs um 22:50 Uhr im Ersten begleiten und verbleiben […]

Insgesamt eine äußerst unbefriedigende Antwort, die darauf schließen lässt, dass die Redaktion der Ansicht ist, alles richtig gemacht zu haben. Auch künftig werden sie wohl ihre warmen Sofaplätze an Nazis vergeben, die dort unter Unbedarften noch mehr Anhänger als bisher sammeln können (»sitzt doch im Fernsehen, wird also legitim sein – und ein paar Sachen, die er sagt, sind ja nicht falsch!«) und uns letztlich vernichten werden. Dass die Redaktion von »Maischberger« dann auch aufgelöst und wahrscheinlich (mindestens) eingesperrt wird, ist leider kein Trost.

About Sascha Kersken

Ich habe seit 1983 Computer-Erfahrung und hatte das Glück, mein Hobby nach dem Abitur und einigen Umwegen zum Beruf zu machen. Ich arbeite bei der dimensional GmbH in Köln als Senior Developer, unter anderem mit PHP und Java. Seit 1996 bin ich zusätzlich als freiberuflicher Dozent in den Bereichen Administration, Programmierung und Webentwicklung mit Schwerpunkt LAMP tätig, außerdem als Fachbuchautor und -übersetzer. Eine andere meiner großen Leidenschaften ist die Belletristik; 2016 erschien im Self-Publishing mein erster Roman "Göttersommer", der Teil 1 einer Trilogie ist.
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