Frankreich auf dem Weg ins digitale Mittelalter?

Schon seit Längerem ist bekannt, dass Frankreich “Urheberrechtsverletzern”, das heißt Tauschbörsennutzern, nach zweimaliger Verwarnung automatisiert den Internetzugang sperren möchte, ohne Richterbeschluss et al. Schon diese Maßnahme ist IMHO vergleichbar mit dem barbarisch-mittelalterlichen Handabhacken bei Dieben (natürlich nicht, was das Schmerzlevel des Bestraften angeht, sondern in puncto Geisteshaltung). Nun wird eine neue Sau durchs digitale Dorf getrieben: Die französische Kulturministerin möchte bei öffentlichen Hotspots nur noch den Zugang zu Websites erlauben, die explizit in einer Whitelist stehen. Das geht noch einen Schritt weiter als die mit Blacklists arbeitende, auch in westlichen “Demokratien” immer weiter um sich greifende Internetzensur.

Wohin geht die Reise? Das einundzwanzigste Jahrhundert droht zum Finsteren Mittelalter 2.0 zu werden, nur weil Unmengen von Politikern Angst vor neuen Medien und letztlich vor ihrer eigenen Bevölkerung haben. Nun könnte man diese Angst natürlich deutlich abmildern, indem man zur Abwechslung mal Politik im Sinne dieser Bevölkerung und nicht für die Interessen einiger Lobbygruppen (Großbanken, Großkonzerne, Medienindustrie usw.) macht. Aber nein, lieber immer mehr überwachen, bespitzeln, zensieren, verbieten, Milliarden für Biometrie- und sonstigen Pseudosicherheitsschwachsinn ausgeben und gleichzeitig behaupten, man hätte kein Geld für die Belange von Arbeitslosen und Rentnern oder für ein paar halbwegs neue Schulbücher. Deutschland, Großbritannien und Frankreich scheinen bei alldem in Europa eine unrühmliche Vorreiterrolle zu spielen. Jedenfalls ist es lächerlich, wenn dieselben Herrschaften, die hier jeden Tag weitere und zunehmend skandalöse Ausnahmen zu den Bürgerrechten hinzufügen, dieselben im Dialog mit China, Iran oder irgendwelchen Bananenrepubliken einfordern.

About Sascha Kersken

Ich habe seit 1983 Computer-Erfahrung und hatte das Glück, mein Hobby nach dem Abitur und einigen Umwegen zum Beruf zu machen. Ich arbeite bei der dimensional GmbH in Köln als Senior Developer, unter anderem mit PHP und Java. Seit 1996 bin ich zusätzlich als freiberuflicher Dozent in den Bereichen Administration, Programmierung und Webentwicklung mit Schwerpunkt LAMP tätig, außerdem als Fachbuchautor und -übersetzer. Eine andere meiner großen Leidenschaften ist die Belletristik; 2016 erschien im Self-Publishing mein erster Roman "Göttersommer", der Teil 1 einer Trilogie ist.
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2 Responses to Frankreich auf dem Weg ins digitale Mittelalter?

  1. spectoribus says:

    @Frankreich auf dem Weg …

    Nur Frankreich, oder sind die übrigen schon angekommen?

    Und . . . es ist hier im Text der Ausdruck „ . . . westlichen „Demokratien“ . . .“ zu lesen!?

    Wird dem Wort „Demokratie“ noch ein Attribut, egal welcher, in diesen Falle „westlichen“, beigefügt ist von keiner „Demokratie“ mehr die Rede, von was ihr wollt kann die Rede sein jedoch NICHT von Demokratie!
    In den ehemaligen Ostblockstaten gab es ja auch die „sozialistische Demokratie“!? War das den tatsächlich eine Demokratie? Warum sollte dann die „westliche Demokratie“ tatsächlich eine sein?
    Hinter dem was heute „Demokratie“ genannt wird versteckt sich eigentlich immer eine kollektiv ausgeübte Diktatur immer gleich bleibender Interessen die nur von sich periodisch wechselnder Repräsentanten der leicht unterschiedlich gewichteten Teilen der Lobbygruppen ausgeführt wird.

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